Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick

„Joe R. Lansdale erzählt die filmreife Lebensgeschichte eines ehemaligen Sklaven, der zur Westernlegende Deadwood Dick wurde“, steht auf dem Backcover. Und damit ist eigentlich schon fast alles über seinen neuesten Roman Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick (im Original Paradise Sky) gesagt, außer vielleicht, dass ich mir Quentin Tarantino als Regisseur wünschen würde.

Deadwood Dick Als ehemaliger Sklave hatte Willie Jackson bisher nicht viel Glück im Leben, nach dem ihm einige Weißen trachten, weil er einen Blick auf den (bekleideten) Hintern einer weißen Frau riskiert hat, was einem Schwarzen nicht zusteht. Jedenfalls nicht in Texas, auch wenn die Sklaverei offiziell abgeschafft wurde. Aber es gibt auch nette Weiße. Nachdem seine Eltern von Rassisten getötet wurden, die noch dazu sein Haus niedergebrannt haben, nimmt einer Willie sogar bei sich auf und bringt ihm neben Reiten und Schießen auch Lesen und noch ein paar andere nützliche Dinge bei. Nach dem Tod seines Mentors Tate Loving ist Willie zwar dessen Erbe, kann dieses aber nicht antreten, weil ihm noch immer die Rassisten auf den Fersen sind, um ihn für den verbotenen Blick auf die Frau zu bestrafen. Er flieht, nennt sich fortan Nat Love und tritt in die Armee ein. Ein blutiges Gemetzel mit Indianern, das er und sein Kumpel Cullen als Einzige überleben, bringt die beiden zum Entschluss, die Uniform an den Nagel zu hängen. Also ist Nat wieder auf der Flucht. Dabei lernt er den berühmten Schützen Wild Bill Hickok und noch ein paar andere kennen, verliebt sich und will eigentlich sesshaft werden, als seine texanischen Verfolger ihn wieder aufspüren. Gut, dass er von seinem Mentor nicht nur das Lesen, sondern auch das Reiten und Schießen gelernt hat … Wie Willie beziehungsweise Nat zu Deadwood Dick wird und was er weiter erlebt, bis er seinen Frieden findet, erzählt er im Rest des Romans.

Nat LoveLansdale brachte Nats Geschichte in der Ich-Perspektive zu Papier. Am Ende räumt dieser Nat Love alias Deadwood Dick ein, dass „nur das allermeiste“ wahr ist – so wahr wie eben nötig für eine spannende Geschichte. Somit ist er ein unzuverlässiger Erzähler. Jeder Leser kann sich also selbst ein Urteil bilden, was er innerhalb der weitgehend fiktiven Erzählung für realistisch hält und was nicht. Der Roman-Figur liegt eine historische Persönlichkeit zugrunde: Der echte Nat Love lebte von 1854 bis 1921 und war tatsächlich ein berühmter schwarzer Cowboy, dem man den Namen Deadwood Dick gab.

Lansdales Stärke ist sein schnörkelloser, authentisch wirkender Erzählstil, in dem er seine Geschichte teils mit trockenem Humor, teils auch in drastischen Worten erzählt. Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick ist kein Edelwestern, sondern bietet einen weitgehend unverklärten Blick auf die Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Das Leben ist hart, die Klamotten sind schmutzig und Kugeln fliegen nur dann ins Ziel, wenn man mit einer Waffe richtig umgehen kann und keine Billigmunition verwendet. Und wie wenig ein Menschenleben wert ist, zeigt sich immer wieder – der Wilde Westen trägt diesen Namen zurecht. Der Blick ist deswegen nur weitgehend unverklärt, weil Nat Love gelegentlich ins Fabulieren und Übertreiben gerät, aber das gehört einfach dazu. Schließlich wird er ja zum Helden von Groschenromanen – lässt sich aber bei seiner eigenen Geschichte nicht auf dieses Niveau herab. Es gibt starke nachdenkliche und anrührende Momente, die unter die Haut gehen.

Die Übersetzung von Conny Lösch beschert einen wunderbaren Lesefluss. Der Plauderton passt ausgezeichnet und bietet sich geradezu für eine Hörbuch-Umsetzung an. Nach Dunkle Gewässer und Das Dickicht ist Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick der dritte Lansdale-Roman bei Tropen/Klett-Cotta im Hardcover, und für mich der dritte Volltreffer.

7 Antworten zu “Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick

  1. Das liest sich wirklich sehr interessant.

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  2. Joe R. Lansdale ist immer wieder eine Lektüre. Habe soeben gerade „Gekreuzigte Träume“ beim Festa-Verlag vorbestellt. Und auch der obige Titel wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in mein Regal wandern. Danke für die schöne Besprechung!

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  3. Klasse Buch, ich kann dir nur zustimmen. Auch wenn ich noch nicht ganz durch bin wegen Umzugstress, eine absolute Leseempfehlung.

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