Halloween steht vor der Tür. Somit neigen sich die Halloween-Wochen des Bücherverschlingen-Blogs dem Ende entgegen. Zeit für die passende Deko und natürlich auch für passende Geschichten. Von mir gibt’s dazu eine kurze Story mit dem Titel Katzenspielzeug (endlich mal eine Katzengeschichte!), die letztes Jahr in der Fur Fiction Gesamtausgabe veröffentlicht wurde. Viel Spaß damit!
Wer noch mehr lesen mag, eine „waschechte“ Halloween-Story von mir gab es 2013 hier im Blog: Made im Fleisch – mit Kürbissen, „Süßem und Saurem“ und einer kräftigen Prise Grusel und Spannung, wie ich hoffe. Als ob ich es damals schon geahnt hätte, kommen auch Horrorclowns darin vor, auch wenn sie nicht explizit Clownsmasken tragen … Ich hoffe, was in der Geschichte geschieht, bleibt fiktiv und findet keine Nachahmer, sonst holt euch der Wurm! Wünsche ein gesittetes Halloween allerseits!
Katzenspielzeug
»Goethe!«
Wo ist dieser verflixte Kater nur wieder? Ich hab ihm schon zigmal gesagt, er soll keine Mäuse auf den Fußabstreifer legen. Er soll überhaupt keine Mäuse mehr ins Haus bringen. Ist ja nett von ihm, dass er uns mit Futter versorgen will, aber inzwischen müsste er kapiert haben, dass Karin und ich die Biester nicht anrühren.
Na ja, wenigstens lebt die Maus nicht mehr. Ich muss zur Arbeit und hab keine Lust, den Jäger zu spielen und Schränke von der Wand wegzurücken.
Das arme Geschöpf sieht leicht angeknabbert aus, irgendwie eklig … Zum Glück hab ich noch nicht gefrühstückt.
Als wir den Kater bei Freunden abholten, trug das kleine Fellknäuel noch keinen Namen. Wie Karin ausgerechnet auf Mephistopheles gekommen ist, weiß ich nicht. Außer dem schwarzen Fell und seltsamen Glupschaugen, die im Blitzlicht rot anstatt hellgrün schimmerten, hatte er so gar nichts Teuflisches an sich. Damals jedenfalls.
Mephistopheles war mir zu lang. Und Faust, wie Karins zweiter Vorschlag lautete, wollte ich ihn nicht nennen. Faust, der Mäuseschreck. Wie klingt denn das? Wir grübelten eine Weile, schließlich verhalfen uns seine versonnen wirkende Lieblingspose und sein fast poetischer Schnurrgesang zu einer Eingebung. Seitdem heißt er Goethe.
Hochintelligent war er schon immer, viel schlauer als unser rotgetigerter Bohlen, zudem verschlagener als die kratzbürstige Perserin Alexis. Wie sehr er andere manipulieren kann, merkten wir erst im Lauf der Zeit.
Bohlen und Alexis ließen im Napf stets die Futtersorten übrig, die Goethe zur Leibspeise auserkoren hatte. Und sie wärmten ihm den Schlafplatz vor, damit er es sich gleich bequem machen konnte, wenn er von der Mäusejagd zurückkehrte.
Karin und mich brachte er dazu, ihm das Fenster zu öffnen, durch das er gerade aus dem Garten hereinschlüpfen wollte, wenn er zu faul war, den Umweg über die Katzenklappe zu nehmen. Es fiel uns erst auf, als wir im Flur zusammenstießen, weil wir uns so beeilten. Nicht, dass wir es eilig gehabt hätten, o nein – Goethe hockte allerdings schon ungeduldig hinter der Scheibe und verspürte sichtlich wenig Lust, noch länger im Regen zu warten. Wir fragten uns, wie er es nur anstellte, dass wir genau im richtigen Augenblick an ihn dachten und zielsicher das jeweilige Zimmer ansteuerten.
Als er eines Tages einen Irish Setter regelrecht hypnotisierte, worauf der arme Hund sich winselnd hinter seinem Herrchen versteckte und den Schwanz einzog, wurde uns mulmig zumute.
Dabei schaut Goethe die meiste Zeit über drein wie die Unschuld vom Lande. Sein Gähnen wirkt beruhigend, und wenn er einem zuzwinkert, zwinkert man automatisch zurück.
Dass Katzen ihre zweibeinige Dienerschaft erziehen, war für uns ja nichts Neues. Aber die Art und Weise, wie Goethe schon beim ersten Besuch den Tierarzt dazu brachte, auf eine Spritze zu verzichten und ihm möglichst alle Mittelchen in Leckereien verpackt zu verabreichen, nötigte uns neben Respekt auch leichtes Unbehagen ab.
Das ganze Katzenspielzeug überlässt Goethe freiwillig Bohlen und Alexis. Er scheint sich köstlich zu amüsieren, wenn die beiden Hohlköpfe irgendwelchen Gimmicks hinterherjagen oder auf Stoffmäusen herumkauen.
Tja, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, Goethe betrachtet uns als sein Spielzeug. Uns alle.
Äh, wo war ich gerade? Ach ja richtig: Ich muss zur Arbeit und habe noch nicht gefrühstückt. Vor acht frühstücke ich nie, in der ersten Stunde nach dem Aufstehen krieg ich einfach nichts runter. Da hab ich null Appetit. Heute allerdings …
Wieso riecht es hier so verdammt gut? Karin ist schon seit anderthalb Stunden weg, und sie isst so früh in der Regel auch nichts. Was also in Dreiteufelsnamen …
Ich sinke auf die Knie und beschnuppere die Maus. Auf einmal wirkt der Kadaver gar nicht mehr so eklig. Ein anregender Duft steigt mir kribbelnd in die Nase. In meinem Schädel breitet sich ein wohliges Gefühl aus. Es scheint, als wäre er in glücksdurchtränkte Watte gebettet.
Plötzlich knurrt mein Magen lautstark, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Was hat dieser Kater nur wieder …
»GOETHE!«
© 2015 Christian Weis
Großartig. Was für ein durchtriebenes Stück, dieser Goethe. ^^
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Danke! So sind sie halt. ;-)
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Großartige Geschichte! Katzen sind einfach Zauberwesen – jede auf ihre Art ;-)
Liebe Grüße
Claudia
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Besten Dank!
Ja, zauberhaft sozusagen. ;-) :-D
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Ui, echt schräg! Was Menschen sich so alles ausdenken… brrrrrrr. :) Einen schönen Tag Dir! LG, Monni
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Die Gedanken sind beeinflusst … ;-)
Dir auch einen schönen Tag!
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