Götterdämmerung

Die Space-Opera-Trilogie Götterdämmerung von Frank W. Haubold erschien in den Jahren 2012 bis 2015 beim Atlantis Verlag. Sie kann getrost als Haubolds Opus Magnum bezeichnet werden, hat er sich zuvor doch eher durch Erzählungen und Episodenromane einen Namen als Autor gemacht. Den ersten Teil hab ich damals gelesen, als er herauskam, die beiden weiteren erst kürzlich, nachdem alle drei Bücher erschienen waren. Als sehr leserfreundlich empfinde ich die Zusammenfassungen zu Beginn des zweiten und dritten Romans – sie helfen, die komplexen Zusammenhänge noch einmal zu erfassen, bevor man sich ans Lesen des nächsten Teils macht.

Götterdämmerung1Im ersten Buch, Die Gänse des Kapitols, lernt Raymond Farr, Kommandant eines Militärraumschiffs auf einem Außenposten im All, Miriam Katana kennen, die ein Geheimnis mit sich herumschleppt. Und nicht nur das: Sie hat eine neuartige Bombe dabei, mit der man eine Sternenexplosion bewerkstelligen kann. Als eine Zirkusstadt auf der Militärbasis gastiert, schlagen dessen Vogelmenschen Alarm – wie einst die Gänse des römischen Kapitols, die so auf einen Angriff aufmerksam machten. Mithilfe der Bombe gelingt es Farr und Miriam, die heimtückische Attacke der Burgons zu vereiteln, die den Menschen immer wieder hart zusetzen. Durch ein Weltraumportal verfolgt Miriam Katana an Bord des Raumschiffs Nemesis die Burgons in deren Heimatwelt. Der Kontakt zur Nemesis reißt ab, das Schiff gilt als verschollen. Farr quittiert den Dienst und organisiert eine Rettungsmission. Zu diesem Zweck mietet er den Raumkreuzer Hemera und stellt eine Mannschaft aus Freiwilligen zusammen. Einige Crew-Mitglieder erscheinen jedoch zwielichtig und verfolgen womöglich eigene Interessen.

Götterdämmerung2Das Todes-Labyrinth beginnt da, wo das erste Buch endet: Die Hemera befindet sich unter dem Kommando von Raymond Farr auf ihrer Suchmission. Allmählich wird klar, dass im Hintergrund mehr droht als nur ein weiterer Burgon-Angriff. Parallel dazu stellt Farrs Freund John Varley Ermittlungen an, bei denen ebenfalls eine geheimnisumwitterte Frau eine tragende Rolle spielt: Ailin Ramakian unterstützt ihn, scheint aber mehr zu wissen, als sie ihm erzählt. In einer weiteren Handlungsebene beherrscht eine seltsam anmutende Regentin das Graue Land, in dem auch Klone bekannter Persönlichkeiten leben. Miriam Katana verirrt sich ins Labyrinth der Regentin, wo deren Gefangene um ihr Leben kämpfen müssen. Auf Miriams Spuren landet Farrs Schiff Hemera dort, wo auch die verschollene Nemesis gestrandet ist.

Götterdämmerung3Im letzten und umfangreichsten Teil, Das Licht von Duino, muss sich die Crew um Raymond Farr erst einmal sammeln, nachdem sie einen Angriff von Helikoptern abgewehrt hat. Sie werden mit weiteren Gegnern konfrontiert, die seltsam altmodisch anmutende Gerätschaften benutzen. Immerhin weiß Farr, dass er der verschollenen Miriam Katana auf der Spur ist. John Varley kommt unterdessen der geheimnisvollen Ailin näher, die zur Regentin der Grauen Welt in einer besonderen Beziehung steht. Im Verlauf der gelegentlich verwirrenden Ereignisse wird immer deutlicher, dass hier ein Spiel gespielt wird, dessen Ausmaße die Protagonisten nur ganz allmählich erfassen können. Und dem sie womöglich nicht gewachsen sind – nicht gewachsen sein können.

Es passiert noch weitaus mehr, aber hier soll natürlich nicht alles verraten werden. Handlung und Hintergrund sind ohnehin zu komplex, um alles in wenigen Sätzen wiederzugeben. Ich bin zwar kein Fan von Roman-Anhängen, aber zusätzlich zu den Inhaltszusammenfassungen hätte ich mir gelegentlich ein Personenregister und ein Glossar gewünscht, da ich mehrfach zurückblättern und bestimmte Passagen suchen musste, um mir gewisse Details zu vergegenwärtigen. Wobei ein Glossar allerdings Fakten verraten würde, die man als Leser erst im Lauf der Ereignisse erfahren soll – ein verzwicktes Problem …

Frank Haubolds Stil lässt den Leser in seine Welt eintauchen, gleichsam hineingleiten; man wird nicht durch die Story und von Schauplatz zu Schauplatz gehetzt. Dabei werden nicht nur Fans epischer Erzählweise bedient. Immer wieder erleben die verschiedenen Charaktere episodenhafte Abenteuer, deren Zusammenhänge sich erst allmählich herauskristallisieren. In dieser zukünftigen Welt haben sich die Menschen weiterentwickelt und nach Entdeckung der sogenannten N-Raum-Trassen das All besiedelt. Die Bedrohungen, denen sie sich gegenübersehen, sind zum Teil menschengemacht, wie sich herausstellt. Immer wieder sprengen die Ereignisse die konventionelle Vorstellungskraft – sowohl die Protagonisten als auch der Leser werden mit mystisch anmutenden Wesenheiten konfrontiert, deren Handlungsweisen und Beweggründe nicht immer sofort und rational erklärbar sind – oder zu sein scheinen. Etwas irritierend fand ich, dass für die weiblichen Hauptfiguren öfters die Bezeichnung „die Frau“ verwendet wurde (sehr viel seltener „der Mann“ bei männlichen Figuren), wohl um die Wiederholung des Namens zu vermeiden – bei namentlich längst eingeführten Protagonisten finde ich das ungewöhnlich und lese es auch nicht sonderlich gerne. Angesichts des insgesamt sehr gut lesbaren, dezent lyrisch anmutenden Stils ist das jedoch leicht verschmerzbar.

Die umlaufenden Cover der Paperbacks (im etwas unhandlichen DIN-A5-Format – ich hätte zu den besser in der Hand liegenden Sonderausgaben im Hardcover greifen sollen …) wurden von Timo Kümmel gestaltet. Für Science-Fiction-Fans und vor allem für diejenigen unter ihnen, die intelligente und mitunter verzwickt angelegte Space Operas bevorzugen, in denen nicht von Actionszene zu Actionszene gehetzt wird, eine lohnende Lektüre (wobei Action keineswegs zu kurz kommt!). Allerdings eine, die man nicht schnell mal nebenbei lesen sollte, weil sich einem sonst gewisse Zusammenhänge möglicherweise nicht erschließen.

2 Antworten zu “Götterdämmerung

  1. Oh, eine verzwickte Space Opera. Ich bin momentan eigentlich nicht so in SO-Stimmung aber das macht mich neugierig. *auf die Liste setz*

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